
Interview mit Prof. Claus Anderhalten
Im Interview erläutert Prof. Claus Anderhalten wie man einen Kindergarten-Altbau aus dem 1970er Jahren in eine zeitgemäße und ansprechende Kindertagesstätte verwandeln kann.
Herr Anderhalten, warum war der Neubau der Kita Fürstenberger Straße so dringend notwendig?
Die Fürstenberger Straße liegt an der Schnittstelle zwischen den Bezirken Berlin-Mitte und Prenzlauer Berg. Durch den Zuzug vor allem junger Familien fehlt es an adäquaten Unterbringungsmöglichkeiten für Kinder im Vorschulalter. Schon in den 1970er Jahren wurde auf einem Trümmergrundstück ein zweigeschossiger Baukörper als Kindertagesstätte errichtet. Die Blockrandbebauung mit üppigen Freiflächen im Innenbereich genügt jedoch schon seit langem nicht mehr den Anforderungen an eine zeitgemäße Kindertagesstätte. Im Rahmen des Konjunkturpaketes II standen 2010 Mittel zur Sanierung und Erweiterung des Gebäudes zur Verfügung.
Bitte beschreiben Sie uns Ihr architektonisches Konzept für Alt- und Neubau.
Unser Ziel war es, mit dem Umbau den gesichtslosen Altbau zu einem signifikanten, besonderen Baukörper umzuwandeln. Der sich parallel zur Grundstücksgrenze in den Blockinnenbereich erstreckende Neubau tritt an der Fürstenberger Straße als auskragendes Volumen in Erscheinung und bildet hier eine eindeutige Eingangssituation. Die zurückliegende zweigeschossige Bebauung haben wir in der Bauflucht des Blockrandes verankert und im Straßenraum weithin erkennbar gemacht. Alt- und Neubau wurden zu einer winkelförmigen Baustruktur verbunden, die sich nach Süd-Osten öffnet und den begrünten Freibereich fasst. Die neue Kindertagestätte kann unser Meinung nach das leisten, was eine Kita im Zentrum Berlins ausmacht: die Vermittlung zwischen der Dynamik der Straße mit ihrem Gefahrenpotenzial und den großzügigen, ruhigen Grünflächen im Herzen der Blockstruktur. Die Architektur holt die Kinder an der Straße ab, das Spielgeschehen ist ausschließlich auf den beschützenden Garten ausgerichtet. Als Schnittstelle zwischen Straße und Garten fungiert ein großzügiges, lichtdurchflutetes Foyer, das gleichzeitig den räumlichen Bezug zum Altbau wie zum Obergeschoss herstellt. Über diesen räumlichfunktionalen Schwerpunkt werden sämtliche Räume linear erschlossen. Die breiten Spielflure regen zum gruppenübergreifenden Arbeiten an. Ausschnitte in Türen auf Höhe von Kind und Erwachsenen erlauben es den Kindern, sich zu orientieren und eigenständig das Geschehen in der Kita zu entdecken. Die erforderlichen Gruppen- und Funktionsräume haben wir jeweils als flexibel nutzbare Einheit mit direkter Zuordnung der Nebenfunktionen konzipiert.

Prof. Claus Anderhalten
Welche Materialien und Konstruktionen wählten Sie für das Gebäude?
Für den Erweiterungsbau sahen wir einen zweigeschossigen Baukörper aus Stahlbeton vor. Die Außenwände wurden mit farbigen, witterungsbeständigen Paneelen verkleidet. Das Obergeschoss haben wir als Kontrast mit einer Verschalung aus Lärchenholz versehen. Auf den Terrassen wurde farbiger Tartanbelag verlegt und die aus den umliegenden Wohnungen einsehbaren Dachflächen wurden extensiv begrünt. Den Altbau wollten wir in seiner tragenden Grundstruktur erhalten, lediglich die Treppe und der Aufzug wurden erneuert.
Gerade der Außenraum ist für städtische Kitas von großer Bedeutung, wie wurde er in der Fürstenberger Straße angelegt?
Unser Ziel war es, die Grundstruktur des Außenraums der Kindertagesstätte Fürstenberger Straße mit der großen Wiese und dem parkartigen Baumbestand zu bewahren. Die große, offene Wiese ist die ruhige zentrale Fläche des Grundstücks und wird durch die Aktionen der Kinder und die Feste der Gemeinschaft belebt. Ein Rundweg mit einem modellierten Fahrparcour rahmt und akzentuiert das Grün. Die Rasenfläche setzt sich deutlich zu den Randbereichen ab. Dort befinden sich wie in einer zweiten Schale die kammerartigen Sonderflächen mit Sand, Felsen und Wasserspiel, die Experimentierfläche zum Bauen und Graben sowie die grünen Zimmer vor den Gruppenräumen des Neubaus. Rückzugs- und Ruhebereiche rhythmisieren diese Zone. Mit Wällen haben wir die auf unterschiedlichen Niveaus gelegenen Sonderflächen getrennt und eine bewegte Spiellandschaft geschaffen. Für die Materialien haben wir lebhafte, nicht zu bunte Farben gewählt, zum Beispiel Grün.
Herr Prof. Anderhalten, vielen Dank für das Gespräch!
Anderhalten Architekten wurde 1993 in Berlin gegründet und hat im Bereich der Sanierung und Umnutzung von repräsentativen und räumlich komplexen, denkmalgeschützten Gebäuden besondere Kenntnisse erlangt. Eine Reihe anspruchsvoller Bauvorhaben wie beispielsweise das Deutsche Architekturzentrum, die Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ im ehemaligen Marstall oder die Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt in Berlin sind seither realisiert worden. Wettbewerbserfolge und anstehende Realisierungen zeigen aber auch, dass keineswegs eine Fixierung auf das Bauen im Bestand besteht.